Wie hört sich eigentlich Hessisch an? Gibt es überhaupt das eine Hessisch? In Frankfurt sprechen die Menschen doch ganz anders als in Kassel, oder? Wer sich diese oder ähnliche Fragen stellt und sich gerne über die Dialektlandschaft in Hessen informieren möchte, ist auf der Seite „Dialekte in Hessen“ genau richtig. Auf der sogenannten „Hessenplattform“ finden sich übersichtliche Zugänge zu verschiedenen Projekten und Informationsangeboten, die sich der Sprache(n) in Hessen widmen.
Von einem Überblick über die unterschiedlichen Dialektregionen des Bundeslandes Hessen, über Sprachkarten, die den regional unterschiedlichen Sprachschatz veranschaulichen, bis hin zu Tonaufnahmen hessischer Sprecher*innen, die einen Höreindruck der sprachlichen Diversität von Hessen erklingen lassen. Daneben bietet das Informationsportal auch einen Einblick in verschiedene Projekte, die im Forschungszentrum Deutscher Sprachatlas zu den hessischen Dialekten durchgeführt wurden, und deren Ergebnisse hier in leicht zugänglicher und prägnanter Weise präsentiert werden.
Die Informationsplattform ist dabei so konzipiert, dass neue Informationen, Projekte und Aktivitäten, die sich thematisch mit dem Hessischen beschäftigen, leicht ergänzt werden können. Die auf Zuwachs angelegte Seite bietet dabei nicht nur ein Portal für die aus dem Deutschen Sprachatlas entstandenen und neu entstehenden Projekte, sondern auch eine Möglichkeit, ausgewählte Ergebnisse, die im Ehrenamt in Mundartvereinen erzielt wurden, der Öffentlichkeit gebündelt zu präsentieren.
Wer sich als Bürgerwissenschaftler*in an verschiedenen Citizen Science-Projekten beteiligen und einen Beitrag zur Erschließung sprachwissenschaftlicher Datenschätze leisten möchte, ist auf der Seite ebenfalls gut versorgt. Was die Seite im Detail bietet, wird im Folgenden näher beleuchtet.
Was bietet die Hessenplattform?
Die Informationsplattform bietet ein breites Spektrum zum Erkunden der hessischen Dialekte und präsentiert Informationen und Materialien zu verschiedenen sprachlichen Aspekten. Einen Einstieg in die sprachgeographische Vielfalt Hessens bietet zunächst eine Übersichtskarte der Dialekte des Bundeslandes (Abb. 1). Schon beim ersten Blick auf diese Karte ist anhand der Farben die hohe Variationsbreite der hessischen Dialekte zu erkennen, die nicht zuletzt darauf zurückzuführen ist, dass in dem zentral gelegenen Bundesland die dialektalen Großräume des Deutschen aufeinanderstoßen. So findet sich im Norden von Hessen in der Gegend um Korbach mit westfälischen und ostfälischen Dialekten ein niederdeutsches Dialektareal, während der Rest des Bundeslandes zum hochdeutschen Dialektgebiet gehört.
Abb. 1: Einteilungskarte der Dialekte in Hessen
Neben der Übersichtskarte stellt die Hessenplattform auch einige vereinfacht nachgezeichnete Sprachkarten zu sowohl lautlichen als auch lexikalischen Phänomenen zur Verfügung, die im Rahmen des Arbeitsbereichs „Digitaler hessischer Sprachatlas“ (DHSA) des REDE-Projekts erstellt wurden. Als Datengrundlage der Sprachkarten dienen der „Sprachatlas des Deutschen Reichs“ von Georg Wenker, der „Deutsche Wortatlas“, das „Hessen-Nassauische Wörterbuch“ sowie das „Südhessische Wörterbuch“. Abbildung 2 zeigt beispielhaft die Karte zum Lemma „Brot“ des „Digitalen Hessischen Sprachatlasses“.
Abb. 2: Karte „Brot“ aus dem „Digitalen Hessischen Sprachatlas“
Wer sich einen Höreindruck der sprachlichen Vielfalt in Hessen verschaffen möchte, kann sich auf einer interaktiven Karte durch verschiedene Sprachaufnahmen hören. Die präsentieren Sprachaufnahmen wurden im Rahmen des SyHD-Projekts („Syntax hessischer Dialekte“) erhoben und stellen Aufnahmen der 40 „Wenkersätze“ dar, die zunächst von den Explorator*innen vorgesprochen und anschließend von den Sprecher*innen in ihren jeweiligen Ortsdialekt übersetzt wurden. Klickt man einen der Wenkersätze an und wählt eines der zahlreichen Lautsprechersymbole in der Karte an, erscheinen all jene Tonaufnahmen, die für den ausgewählten Ort verfügbar sind. Die phonetisch-phonologischen und lexikalischen, ortsspezifischen Unterschiede in Hessen können nicht nur für Wissenschaftler*innen, sondern auch für interessierte Laien interessant und aufschlussreich sein.
Abb. 3: Karte mit Sprachaufnahmen des Hessischen
Tonaufnahme aus Adorf
Tonaufnahme aus Borsdorf
Tonaufnahme aus Orlen
Tonaufnahme aus Ruttershausen
Tonaufnahme aus Velmeden
Darüber hinaus liefert die Plattform weiterführende, detaillierte Informationen und Forschungsergebnisse zum Hessischen aus verschiedenen Projekten unseres Forschungszentrums. Die Nutzer*innen sind herzlich eingeladen, sich auf den verlinkten Seiten des „Digitalen Hessischen Sprachatlasses“, des Projekts „Syntax hessischer Dialekte“ oder in der virtuellen Ausstellung „Sprachmuseum Hessen – Lebendiges Hessen“ umzuschauen. Einige Zahlen und Übersichten zum Dialekt sowie zum Dialektgebrauch liefert die Plattform ebenfalls.
In Kooperation mit dem Verein „Dialekt im Hinterland e. V.“ ist das interaktive Plakat „Sprechendes Hinterland“ entstanden, das ebenfalls auf der Hessenplattform zur Verfügung steht. Mit Klick auf die geschriebenen dialektalen Wörter des Plakats erklingen Tonaufnahmen dieser Wörter aus dem gesamten Altkreis Biedenkopf. Da zwischen unserem Forschungszentrum und den im Ehrenamt Aktiven der hessischen Dialektvereine eine beiderseitig bereichernde Zusammenarbeit gepflegt wird, finden geeignete Ergebnisse und Präsentationsformen aus der Vereinsarbeit auf der Hessenplattform Platz. Eine Erweiterung dieser Rubrik auf der Seite ist gerade in Planung.
Eine weitere Rubrik der Seite ist zudem „Über Hessen hinaus“. Hier sind einige Recherchewerkzeuge und Projekte aufgeführt, die sich nicht nur mit Hessen, sondern den deutschen Dialekten im Allgemeinen auseinandersetzen. So finden sich dort Informationen und weiterführende Links zur GOBA (Georeferenzierte Online-Bibliographie Areallinguistik), die über 25.000 georeferenzierte Publikationen zur regionalsprachlichen Forschung bereitstellt sowie zu Tonaufnahmen der modernen Regionalsprachen des Deutschen, die genau wie die GOBA, im Rahmen des REDE-Projekts zur Verfügung gestellt werden. Außerdem kann ein Einblick in die Projekte „Regionalakzente in Deutschland“ und „Sprachvariation@Schule“ gewonnen werden.
Wer nach dem Besuch auf der Hessenplattform Lust auf (hessische) Dialekte bekommen hat, findet außerdem in der Rubrik „Mitmachen“ Citizen-Science-Projekte, die Wissenschaftler*innen oder interessierte Laien dazu aufrufen, daran mitzuwirken, historische Dialektmaterialien zu erschließen, die durch automatische Texterkennung nicht ausgelesen werden können. Die Wenkerbogen-App sucht Interessierte, um die in Kurrentschrift geschriebenen über 50.000 Fragebögen von Georg Wenkers Dialekterhebung des späten 19. Jahrhunderts zu entziffern und diese über die Computertastatur einzugeben. Mit diesem Tool können alle, die die Kurrentschrift lesen können, die Wenkerbögen online abschreiben. Auch die DWA-App sucht nach Menschen, die sich daran beteiligen möchten, die Bögen des DWA (Deutscher Wortatlas) von Walther Mitzka zu transliterieren, da diese in unterschiedlichen Schriften ausgefüllt wurden. Circa ein Drittel der Bögen liegt in deutscher Schrift (Sütterlin) vor, die viele Menschen heute nicht mehr lesen können. Um das volle Potential der Daten ausschöpfen zu können, freuen sich beide Apps über jede Mitwirkende und jeden Mitwirkenden, um ein Stück kulturelles Erbe zu erhalten.
Personen, die sich für ihren Dialekt engagieren wollen, finden unter dem Reiter „Mundart im Verein“ eine Hessenkarte, die Vereine oder aktive Gruppen erfasst, die sich für den Erhalt und die Vitalität ihres Dialektes einsetzen. Durch das Anwählen des jeweiligen Ortes werden Informationen zur Kontaktaufnahme präsentiert.
Welche Technik steckt hinter der Hessenplattform?
Die Informationsplattform ist klar strukturiert. Auf der Startseite werden Kacheln angezeigt, die jeweils einem Thema zugeordnet werden. Dieses Kachel-Design ermöglicht eine komfortable und technisch unaufwändige Erweiterung der Hessenplattform durch das Hinzufügen neuer Kacheln unter Beibehaltung der einheitlichen Struktur. Dafür müssen lediglich in einer zugrunde liegenden Datenbank das entsprechend zugeordnete Thema, ein passendes Bild, eine Überschrift, ein kurzer Erklärungstext und ein Link hinterlegt werden. Der Link leitet dann von der Kachel aus zur entsprechenden Seite weiter. Je nach Art der Verlinkung können weitere Informationen für die Datenbank nötig sein.
Technisch unterschieden wird einerseits zwischen Kacheln, die auf Seiten innerhalb der Hessenplattform-Umgebung, also auf interne Seiten, verlinken. Beispiele dafür sind etwa „Sprachmuseum Hessen — Lebendiges Hessen“ oder „Sprachaufnahmen“. Diese internen Seiten müssen zunächst zusätzlich entwickelt und individuell erstellt werden. Daneben verlinken andere Kacheln auf Seiten außerhalb der Hessenplattform. Diese stellen mitunter einen erleichterten Zugang zu Informationen zur Verfügung, die im Rahmen des REDE-Projektes entstanden sind. So werden zum Beispiel über die Kachel „Sprachkarten“ ausgewählte Sprachkarten des Hessischen leicht verständlich präsentiert. Zu der entsprechenden Karte im REDE SprachGIS wird jeweils verlinkt. Dort sind weiterführende Informationen zur jeweiligen Karte zu finden und es stehen Tools zur Verfügung, um mit dieser Karte zu arbeiten. Alle DHSA-Sprachkarten können im SprachGIS bei der Kartensuche im Atlas „Digitaler Hessischer Sprachatlas“ gefunden werden.
Ein wichtiger Aspekt bei der Entwicklung der Hessenplattform war die Wiederverwendbarkeit. Das bedeutet, dass eine weitere Plattform dieser Art nicht von Grund auf neu erstellt werden muss, sondern auf Elementen der Hessenplattform aufbauen kann. Dies erspart bei der künftigen Entwicklung vergleichbarer Plattformen Entwicklungsarbeit. Zudem können sich Nutzer*innen durch die Ähnlichkeit schneller auf den Seiten orientieren. Gleichwohl ist jede Plattform in ihren Inhalten und der Farbgebung natürlich individuell gestaltbar.
Aufbauend auf dem Modell der Hessenplattform ist das Informationsportal zu den Dialekten in Sachsen in Zusammenarbeit mit Rainer Hünecke und Evelyn Koch entstanden. Weitere Plattformen sind in Planung.
Diesen Beitrag zitieren als:
Fischbach, Lea, Ganswindt, Brigitte, Lang, Vanessa & Beitel, Dennis. 2024. Dialekte in Hessen. Das Informationsportal zur Sprachgeographie. In: Sprachspuren: Berichte aus dem Deutschen Sprachatlas 4(5). https://doi.org/10.57712/2024-05